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Ich schreibe es auf (damit ich mich daran erfreuen kann) und nenne ein Beispiel, es glaubt sowieso keiner. Wer könnte schon! Diese Unwissenheit – ach. Nicht mal eine Ahnung. „Verschwörungstheorien!" und „Mumpitz!" nennen sie es.

Das Schöne dabei ist: Ich muss es ihnen nicht mal beweisen, weil ich sie selbst dafür benutze. Wozu sollten wir auch die große Verschwörung planen; viele kleine sind der Schlüssel zum Ziel. Und Verschwörung, was ist denn das auch schon, es ist ja doch nur ein Spiel (Schach), geplant, warum sollten wir da sagen, was unsere nächsten Züge sind?

Unsere Welt ist doch auch nicht anders, nicht anders als deren. Eine einzige graue Masse; es ist egal, auf welcher Seite man steht (weil es keine gibt), du stehst für eine Ideologie, aber die Feinde und Freunde wechseln ständig. Ist es denn bei dir anders, in deinem Job bei der Bank, in der Versicherung, als Anwalt? Und interessiert es dich, bei deinem Job als Montagearbeiter, Verkäufer, Rezeptionist? Wozu?

Mag sein: Ich bin Sokrates und nur ein Rädchen, aber ich drehe mich. Diese angeblich so glücklichen Schweine – grau in grau, Tag um Tag. Mein Ziel! Mein Ziel. Ein einziger Mensch und zugleich alle: „Ein Leben ist nichts und alles wert!" sage ich da. Pathetisch? Mit Sicherheit nicht (ich weiß es einfach besser).

Lasse ich sie es tun. Handwerkszeug: die menschliche Eitelkeit (Schlüssel). Kraul das Ego, streiche Honig um den Mund, lass sie reden; gib ihnen das Gefühl, sie stünden ganz oben auf deiner sozialen Skala. Ein paar Mal machst du das – et voilà: Du kannst ihnen Wörter in den Mund legen, die sie für die eigenen halten werden.

Dann: eine Idee, warum sie es tun und glauben, sie täten es aus gutem, noblem Grund. Lass es Liebe für sie sein (dieser emotionale Ballast! Lolita Pille: „Mehr hat man nicht gefunden, um die postkoitale Depression zu verfremden, um die Hurerei zu rechtfertigen, um den Orgasmus zu sichern."), und sie werden aufhören zu denken. Hinreichend auch: die unmittelbare Bedrohung der Liebsten; eben: nur nicht denken lassen.

Lehrt einem die BWL nicht, der Mensch sei „Humankapital"? Ich lebe davon und dafür: Kontakte pflegen, Krümel hinwerfen und für den Kuchen eben nichts Geringeres als Altruismus zu fordern. Verachtenswert – mitnichten. Sie haben dann wenigstens gelebt und etwas bewegt; dann muss es doch egal sein, in wessen Interesse (denn besser so, als ewig den gleichgültigen Trott der anderen gelebt zu haben, die sich trotz ihrer Gleichheit eines „Wir" nicht einmal bewusst sind). Das behindert die freie Entfaltung – verletzt die Menschenrechte? Max Weber: „extrem rationalisierende Fanatismen"; was unterscheidet uns also? Zweckgebundenheit für – und nicht gegen – die Gesellschaft und die Menschen, die in ihr leben.

Wie ich es tue. Handlungsablauf, unscharf: die kleine Partie Schach (als untergeordnete der großen), nur östlich. Das Ziel vor Augen – und den Weg dorthin gilt es zu beschreiben. Die neue Spielfigur auf ebendiesen bringen, die anderen nicht vergessen und dabei nicht außer Acht lassen, was das Gegenüber sich vielleicht hat einfallen lassen.

Kleine Variation in dieser Version: hin und wieder sind die gegnerischen Figuren die eigenen und – du solltest es geschickt einzusetzen wissen – auch vice versa. Aktion, aber die Reaktion provozieren; sich der einmaligen Wichtigkeit einer Figur bewusst und bereit sein, diese vom Brett zu nehmen (sie wird umgestoßen).

Will – und muss – meinen: Wenn ich den entscheidenden Zug mit einer dann gemacht habe, ist mir die Spielfigur egal geworden, sie besitzt keine spielentscheidende Funktion mehr (wie ein Bauer von E4 auf E5). Zynisch? In einem anderen Spiel bin ich doch selbst eine Spielfigur (Buddha: „Die Befreiung von den Leidenschaften, vom Willen zum Leben, hebt das Leiden auf." – aber immerhin: Mahayana).

Wie es nun passiert. Handlungsablauf, ein Beispiel (es war, ist und wird beliebig sein). Vorweg: Ich bin kein Geschichtenerzähler! Aber ist das eine, seulement sans morale? Nein, avec moralité! Nur keine mit dem erhobenen Finger, sondern eine, die selbst Teil einer ist.

Die meisten der Menschen, die ich in meinem Adressbuch habe, habe ich auch wie diese Spielfigur auf einem anderen Spielfeld getroffen: auf einer dieser vielen Partys, auf denen Menschen mit ihrem Ego kokettieren können; dieses Ego, das wie so oft nur eine Fassade ist (gefüllt mit ihren beruflichen Errungenschaften), fixiert auf den Vergleich ihrer hinübergereichten Schwanzlängen (ein grandioses Bild, wenn man sich das mal genau so vorstellt – vor allem dann, wenn Frauen diesen wirtschaftlichen Fruchtbarkeitstanz ebenfalls ritualisiert zur Schau stellen; mental Konrad Lorenz dabei: erheiternd).

Ich reiche verbal eine Liste mit Namen, mit denen und für die ich arbeite, herüber und lasse sie mit ihrer tollen Vita kontern. Wie ein Hund wird sich dann angebiedert; dieses gleichzeitige Unterordnen und Gefallenwollen, damit ich streichle und Scooby Snacks vor ihre Füße werfe, und dennoch das Aufspielen als Alpha-Tierchen (so sinnvoll in so einem Dialog: Hund bleibt Hund).

Es kommt zum hochzeremoniellen Austausch von Visitenkarten (ich erhalte: „Investor Relations"; ich gebe: „Freier Unternehmensberater" und ein Versprechen, mich zu melden). Um der Gefahr der Trivialisierung dieser Unterhaltung aus dem Weg zu gehen, wird mit dem Drink in der Hand ein anderer Gast aufgesucht; es wird das Beschnuppern wiederholt, aber der Stapel der Identitäten in rechteckiger Papierform wird stolz wie Orden an der Brust präsentiert („wie schade, dass da ein Jackett drüber ist").

Zu viele Wahrheitsförderer später siebe ich dann aus, und so sieht die Karte meines Exemplars (welche Auffassung von „persona grata") in meinem Adressbuch verweilens- und pflegewert aus.

Ausarbeitung: Ich rufe an, arrangiere ein Treffen und lasse Krümel kosten. Bei einem Essen in einem dieser Restaurants, wo solche Menschen gerne hingehen, um ihre erstarrten Emotionen durch Kenntnisse der Weinjahrgänge der letzten Dekaden zumindest als anspruchsvoll erscheinen zu lassen, schlage ich gemeinsame Projekte vor; ihr finanzieller Vorteil, mein psychopathologischer (Marcus Tullius Cicero: „Quid verba audiam, cum facta videam?").

Ich lasse wieder reden; schnell kenne ich auch ein paar private Details, an denen ich anknüpfen kann, um bei weiteren Treffen mehr zu erfahren („Dass Sie sich daran erinnern!"). Durch aufgabenorientierte Fragestellungen erfahre ich ihren Ansatz zur Problemlösung, Kontrollfragen zur Verifizierung.

Es ist schon fast zu leicht, Einfluss zu nehmen, und von daher begleite ich meine Spielfigur bei ein paar Projekten: Koks zum Pushen, Hurerei zur Entspannung, aber das ist zu erwarten und höhlt sie mehr aus – nur die Arbeit und die damit verbundenen monetären Aspekte (der Scheck als Form der Bestätigung) als Ziel; das ist okay, die Aufopferung ist gewiss.

Von meiner Spielfigur weiß ich dann also auch bald: Die Liebe vergessen und aufgegeben und den Schmerz in Arbeitswut verwandelt – die Unfähigkeit, zu ruhen und sie neu zu entdecken, dafür verbittert und die Illusion, stattdessen hassen zu müssen. Der zu erwartende Ansatz, damit ich die Selbstaufgabe fordern kann.

Nach ein paar gemeinschaftlichen Projekten, weit genug auseinander, damit ich nicht mit der Tür ins Haus falle, aber nah genug aneinander („Aus den Augen, aus dem Sinn" ließe mich wieder bei null anfangen), um die Boni für das Konto erreichbar zu wissen, lege ich dann eine etwas längere Pause ein, um mein Interesse als das Interesse von ihr erscheinen zu lassen.

Unter dem Vorwand eines besonders lukrativen Projektes schlage ich etwas vor, das wie eine Genugtuung der Antipathie wirkt, die gehegt wird, ohne es jedoch konkret zu erwähnen. Die Finalisierung der Überzeugung, diesem Fatalismus zu folgen und symbolisch ein Ende zu bereiten, als eigener Gedanke meiner Spielfigur, damit er echt ist, als selbst erfahren und ausgeführt in dieser fanatischen Konsequenz; wie Paul Revere soll sie es nicht nur sagen, sondern leben: „Give me liberty or give me Death" – auch wenn ich weiß, dass sie die Tragweite nicht versteht, aber wenn es so weit ist, für das natürlichste und altruistischste Motiv halten wird.

Detail: Der Punkt ist da, wo ich fordern könnte, dass sie ihren Vater erschießt; nicht nur, weil sie für sich glauben würde, dass es moralisch gerechtfertigt sei, sondern weil sie dafür auch noch Unterstützung, Lob und Anerkennung bekommt. Fehlender Bezug zur Realität? Wer mit diesem Wahnsinn tanzt und so das Leben spürt, lässt sich eben ohne die vorherrschenden Regeln der ebenfalls diktierten Gesellschaft darauf ein.

Der Auftrag für sie ist jedoch perfider: Ich trage ihr auf, das Vertrauen zweier Männer zu gewinnen: Der eine steht im Moment diametral zu den Interessen, die ich vertrete, der andere ist derjenige, von dem ich die Bestätigung seiner Involvierung und Hingabe benötige. Interessen? Egal, ob aus der Sicht von Porter Goss, August Hanning oder dem, was Udo Ulfkotte aufzudecken glaubt, letztlich geht es nur darum, Informationen zu sammeln, einen Schritt voraus zu sein und mehr als nur eine Ahnung zu haben, welchen Zug wir als Nächstes zu erwarten haben, und dabei selbst Halbwahrheiten zu platzieren, die Hand zur Figur zu bewegen und dabei doch eine andere zu führen.

Komme ich also zurück auf das erste Objekt (es ist schon fast zynisch, dass sie diesen Mann in kleinem Rahmen einnehmen soll, so wie ich sie, aber sie dafür genau das sieht, was sie bei Männern verallgemeinert für sich eingenommen hat), es soll eine Zeit lang beobachtet und begleitet werden, dieses und jenes verifiziert oder falsifiziert werden. Beim zweiten Objekt allerdings darf sie ihren Hass leben, die Liebe eines Mannes gewinnen und wissen, dass sie ihn nur benutzt, jemand, dessen Herz sie brechen darf (Miss Havisham würde Estella wieder zur Adoption freigeben).

Wie sie es dann realisiert, ist interessant zu verfolgen, weil es nicht meinem direkten Plan entspringt. Doch dass sie „ihre" Ziele durchsetzt, ist mir gewiss.

Der Höhepunkt (und das Finale) für sie dann: Beiwohnen eines Essens des ersten Objektes mit wichtigen Partnern (an einem weiteren beliebigen Ort, wo sich solche Menschen treffen, und wie symbolisch hier: auf der Spitze eines Berges); die letzte Bestätigung, die ich benötige, bringt sie dort in Erfahrung.

Wie jeder einfache Höhepunkt ist auch dieser dann eigentlich sehr unspektakulär (als würde über Sex geredet, wochenlang, dann hat man ihn, und das war es, und man versucht, diese Episode zu vergessen) und fast schon enttäuschend kurz – dasitzen und zuhören. Um schnellstmöglich nach Erhalt der benötigten Informationen alles Weitere in die Wege leiten zu können, sitze ich (mit einem anderen Probanden meines Adressbuchs) an einem Tisch nicht weit von ihr, und wie erwartet erreicht sie ihr Ziel, begibt sich vom Tisch und steckt die Information in einen toten Briefkasten (YPS!) – und das war es. Das war mein Zug mit ihr.

Der wahre, feine Höhepunkt dieser kleinen Partie Schach kommt dann aber noch; mein Adressbucheintrag mir gegenüber ist ihr zweites Objekt, ihr manifestiertes emotionales Yang – der Mann, der in seiner Welt nun sein Verlangen leben darf. Er erhebt sich und geht ihr hinterher, um das Erwartete zu tun.

Das war mein Zug mit ihm – dabei war er nicht mal meine Spielfigur (eine Figur von den am anderen Tisch sitzenden Spielern um– und angeworben, um auf mein Schachbrett zu schauen und Figuren umzustellen): Wie konnten die dahinten schon ahnen, dass er auch noch in ihrem Auftrag genau das tut, was ich ihm erst so aufwendig hätte indoktrinieren müssen? Das Aufräumen kann ich also getrost ihnen überlassen, denn sie müssen (Deep Blue hat über Kasparov gesiegt!).

Das Spiel geht weiter, und der nächste Zug: Um einen Skandal zu vermeiden, wird der wohl inzwischen nicht mehr so andersdenkende Interessenvertreter aus der anderen Ecke des grauen Seins seinen Hut nehmen müssen (wahrscheinlich bleibt sein Kopf dabei am Hut – oder eine weitere Figur wechselt ihren Eigentümer).

Ein Blick in die Zeitung am nächsten Tag dann: „Quod erat demonstrandum.“

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